Noma – Ausrottung einer vermeidbaren Krankheit, um Leben zu retten
Kontext
Noma (auch bekannt unter der Bezeichnung Cancrum oris) ist eine nicht übertragbare nekrotisierende Erkrankung, die typischerweise bei Kleinkindern auftritt, die in extremer Armut leben1. Eine frühzeitige Behandlung kann Leiden, Behinderung und Tod verhindern. Noma beginnt als nekrotisierende ulzerierende Gingivitis und schreitet aufgrund des geschwächten Immunsystems des Wirts rasch voran, wobei Weichgewebe und Knochen des Mundes zersetzt werden und es bei weiterem Fortschreiten der Krankheit zu Gewebeperforationen kommt. Unbehandelt sterben etwa 90 % der betroffenen Kinder in kurzer Zeit, während die anderen 10 % schwere Entstellungen im Gesicht erleiden. Die Folge sind Schwierigkeiten beim Essen und Sprechen und Ausgrenzung aus der Gemeinschaft. Wenn Noma rechtzeitig diagnostiziert wird, kann das weitere Fortschreiten der Krankheit durch grundlegende therapeutische Maßnahmen, bessere Ernährung, Mundhygiene und Gabe von Antibiotika gestoppt werden.
Die weltweite Krankheitslast durch Noma ist schwer einzuschätzen2. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für 1998 gehen davon aus, dass bis zu 770.000 Menschen an Noma leiden (Prävalenz) und jedes Jahr 140.000 neue Fälle hinzukommen.2 Noma trifft besonders ökonomisch schwache Regionen, in denen es kaum eine zahnmedizinische Versorgung gibt. Dies betrifft in erster Linie afrikanische Länder südlich der Sahara. Die mangelhafte Gesundheitsversorgung in diesen Gebieten sowie der frühe Tod der Erkrankten, ihre Stigmatisierung und traditionelle Überzeugungen im Zusammenhang mit Noma haben zur Folge, dass zahlreiche Fälle nicht entdeckt werden. Während die Ätiologie unbekannt ist, zählen zu den Risikofaktoren Mangelernährung, begleitende Infektionen, durch Impfschutz vermeidbare Krankheiten, mangelhafte Mundhygiene und schlechte Lebensbedingungen wie zum Beispiel eine unzureichende Wasser- und sanitäre Grundversorgung sowie fehlende Hygiene.1
Geltungsbereich
Die vorliegende Stellungnahme gibt einen Überblick über Noma, benennt Risikofaktoren und beschreibt die wichtige Rolle aller Gesundheits- und Sozialberufe bei der Diagnose von Noma, für die Aufklärungsarbeit und für die Versorgung der Betroffenen unabhängig davon, wo sie leben.
Definitionen
Neuer Noma-Verdachtsfall: Jedes Kind mit einem Mundgeschwür und andere Warnzeichen wie Mangelernährung, schlechte Hygiene und aktuelle Krankheiten wie Masern, persistente Diarrhöe oder Malaria sollten als potenzieller Noma-Fall betrachtet werden3.
Bestätigter neuer Fall: Jede Person mit einer gangränösen Erkrankung, die als gingivale Ulzeration beginnt und sich schnell durch das Mund- und Gesichtsgewebe ausbreitet und das Weich- und Hartgewebe zerstört3.
Grundsätze
Die vorliegende Stellungnahme hat das Ziel, Fachkräfte in Gesundheits- und Sozialberufen weltweit über Noma aufzuklären, die Früherkennung zu fördern und zu verbessern, schnell eine lebensrettende Therapie durchzuführen und auf die Bedeutung einer lebenslangen besonderen Mundhygiene für die Überlebenden hinzuweisen. Letztlich kann Noma verhindert werden, wenn die soziale Ungleichheit als eigentliche Ursache beseitigt wird. Das lässt sich am besten durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern erreichen.
Stellungnahme
Noma existiert zwar nicht in allen geographischen Gebieten, aber da sich die FDI als eine inklusive und globale Organisation versteht, ist dies ein globaler Aufruf zum Handeln. Der FDI ist bekannt, dass in den am stärksten von Noma betroffenen geographischen Regionen der Welt nur wenige Fachleute für Mundgesundheit tätig sind und dass dieses Problem eine gesundheits- und sozialpolitisch übergreifende Antwort erfordert.
Zusammenarbeit mit Regierung, NGOs und akademischen Einrichtungen
Die FDI setzt sich dafür ein, dass die Mundgesundheit für alle Menschen ein fester Bestandteil der Agenda von Regierungen weltweit wird.
Die FDI unterstützt Forschungen, um die epidemiologischen und ätiologischen Faktoren, die zur Entstehung von Noma führen, und die pathophysiologischen Mechanismen und Möglichkeiten besser zu verstehen, mit denen wir die veränderbaren Ursachen von Noma bekämpfen können.5
Alle Fachkräfte in Gesundheits- und Sozialberufen
Die FDI empfiehlt, dass alle Fachkräfte in Gesundheits- und Sozialberufen und besonders diejenigen, die in Regionen mit hoher Noma-Prävalenz tätig sind:
- auf die große Bedeutung einer optimalen Mundhygiene und Ernährung als Beitrag für die Prävention von Noma-Erkrankungen hinweisen;
- Aufklärungskampagnen zu Noma für die lokale Bevölkerung durchführen und über Symptome, Schweregrade und Risikofaktoren informieren mit dem Hinweis, dass Noma weder ansteckend ist noch etwas mit Hexerei zu tun hat;
- wissen, dass die Krankheit innerhalb weniger Tage fortschreitet, weshalb Früherkennung und sofortige Behandlung von entscheidender Bedeutung sind;
- die WHO-Behandlungsleitlinien4 kennen.
Ausbildungs- und Weiterbildungseinrichtungen für Fachkräfte in Gesundheits- und Sozialberufen
In den Regionen, in denen Noma endemisch auftritt, empfiehlt die FDI allen Fachkräften in den Gesundheits- und Sozialberufen, an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, die
- ihre lebensrettende Rolle bei der Früherkennung von Noma und bei der Versorgung der an Noma erkrankten Menschen anerkennt;
- die lebenslangen Auswirkungen von Noma anerkennt;
- die grundlegenden Kenntnisse zur Durchführung oraler Untersuchungen und zum Erkennen der reversiblen (nekrotisierende ulzerierende Gingivitis und Ödeme) und der irreversiblen (brandige Infektion, Narbenbildung und bleibende Spätfolgen) Phasen von Noma vermittelt;4
- die Risikofaktoren und die komplexe Vielfalt der Umstände erklärt, die zum Fortschreiten der Erkrankung von der Gingivitis bis hin zur gangränösen Zerstörung von Gewebe führen.
Schlüsselwörter
Noma, Mundgewebe, Infektion
Disclaimer
Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.
Literaturhinweise
- WHO, Draft Global Strategy on Oral Health, 2022 Einsehbar unter: https:// apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA75/A75_10Add1-en.pdf Letzter Zugriff am 31. Juli 2022
- Galli A, Brugger C, Fürst T, et al. Prevalence, incidence, and reported global distribution of noma: a systematic literature review. The Lancet Infectious Diseases 2022.
- WHO. Standard Case Definitions, 2022. Noma: training of health workers at national and district levels on skin-NTDs. Einsehbar unter: https://openwho.org/courses/NTDs-noma. Letzter Zugang 31. Juli 2022.
- WHO. NOMA is a severe disease It is treatable if detected and managed early! https://www.afro.who.int/sites/default/files/2017-07/Information_brochure_EN.pdf
- Farley E, Ariti C, Amirtharajah M, et al (2021). Noma, a neglected disease: A viewpoint article. PLoSNeglTrop Dis 15(6):e0009437. https://doi.org/10.1371/journal.pntd.0009437. 18