Ethik in der Zahnmedizin 2024
KONTEXT
In den vergangenen Jahren hat es in Welt der Zahnmedizin signifikante Veränderungen gegeben. Die Gründe hierfür waren neue Erwartungen der Patienten und deren stärkere Einbindung, die sich weiterentwickelnde sozioökonomische Demographie, Auswirkungen der Medien, die zunehmende Digitalisierung, künstliche Intelligenz und die Integration diverser Technologien. Alle diese Aspekte stellen neue Forderungen an die ethischen Grundsätze dar, die für unseren Berufsstand maßgeblich sind. Die gegenseitige Wertschätzung und das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt und auch zwischen dem Berufsstand und der Gesellschaft sind von größter Bedeutung für alle Aspekte der zahnärztlichen Praxis. Ein solches Vertrauensverhältnis kann nur durch die Bekräftigung der ethischen Fundamente unseres Berufsstandes gefestigt werden. Die vorliegende Stellungnahme will auf diesen Grundlagen aufbauen und daran erinnern, dass ethische Grundsätze das Fundament jeglicher Tätigkeit unseres Berufsstandes sein müssen. Die Stellungnahme soll in Verbindung mit dem FDI-Handbuch der zahnärztlichen Ethik und den bereits vorhandenen Stellungnahmen verwendet werden, die sich mit Fragen der Ethik in der Zahnmedizin befassen.
GELTUNGSBEREICH
Die vorliegende Stellungnahme richtet sich nicht nur an Zahnärzte und Mitglieder des zahnärztlichen Teams, sondern auch an die nationalen Zahnärzteverbände (NDA), Lehrkräfte, Fachgesellschaften und andere repräsentative Institutionen. Sie will unseren Berufsstand erneut auf die überaus wichtige Bedeutung ethischer Grundsätze und die erheblichen Veränderungen dieser Grundsätze und Prinzipien hinweisen, die angesichts sich wandelnder gesellschaftlicher Werte und Wahrnehmungen eine sorgfältige Überprüfung erfordern.
DEFINITIONEN
Ethik in der Zahnmedizin wurde als kritische Überprüfung der Werte, Rechte, Prinzipien und Normen definiert, die für die zahnmedizinische Praxis maßgebend sind.1 In dieser Stellungnahme bezieht sich Ethik auf eine normative Ethik, die sich mit der Festsetzung und Beurteilung moralischer Normen zur Anleitung und Evaluierung des beruflichen Verhaltens befasst.2
GRUNDSÄTZE
Nachstehend die Grundsätze oder Moralnormen, auf denen unsere Berufsethik begründet ist.
Respekt vor der Autonomie des Patienten: Respektierung der Wünsche der Patienten oder ihrer Bevollmächtigten unter der Voraussetzung, dass sie mit den beruflichen Standards übereinstimmen. Die Autonomie des Patienten wird durch seine wirksame Einwilligung, wahrheitsgemäße Informationen und Vertraulichkeit unterstützt.
Prinzip des Wohltuns: Verhalten, das dem Wohlergehen der Patienten, ihrer Familien und der Gesellschaft verpflichtet ist und das als vorrangiges Ziel der medizinischen Versorgung angesehen wird.
Prinzip des Nicht-Schadens: Es darf Patienten, Familien oder der Gesellschaft kein Schaden zugeführt werden.
Prinzip der Gerechtigkeit: Sicherstellen, dass jede Person Zugang zu den Versorgungsmöglichkeiten und Ressourcen erhält, die für sie erforderlich ist, und dass jeder Mensch mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt und einbezogen wird.
Prinzip der Rechenschaftspflicht und Aufrichtigkeit: Verantwortungsbewusstes Verhalten als Mitglied des zahnmedizinischen Berufsstandes zeigen unter Beachtung der eigenen Verantwortung für die Ergebnisse eigenen Handels in allen beruflichen Angelegenheiten.
Prinzip der Integrität: Für das eigene Verhalten sind Berufsehre und Anstand die Leitlinie. Es sind die höchsten beruflichen Standards zu schützen, weiterzuentwickeln und zu fördern.
Prinzip der Professionalität: Aktive Verpflichtung, den Berufsstand und die Versorgung der Bevölkerung zu fördern und zu unterstützen.
Prinzip der Toleranz: Diversität ist zu tolerieren, kulturelle Unterschiede sind zu akzeptieren, um Entscheidungen des Patienten und seine von ihm gewählten Behandlungsoptionen zu verstehen.
Prinzip des Mitgefühls: Der Patient sollte fürsorglich behandelt werden und sein persönliches Wohlbefinden an erster Stelle stehen. Dem Patienten sollte immer mit Freundlichkeit, Sympathie und Empathie begegnet werden.
STELLUNGNAHME
Patientenorientiert:
- Aufmerksamkeit gegenüber Interessenkonflikten, der Einflussnahme Dritter auf das Verhältnis zwischen Patient und Zahnarzt (besonders infolge finanzieller Zwänge oder Anreize) und Priorisierung der Wahl des Patienten und der Gesellschaft bei allen Entscheidungen;
- Patienten und gegebenenfalls ihre Bevollmächtigten und/oder ihre Familien sollten umfassend über die Diagnose sowie den Nutzen und die Risiken jeder Behandlung einschließlich zukünftiger Folgebehandlungen oder ausbleibender Behandlungen und potenzieller Kosten informiert werden, ebenfalls über zukünftige Nachfolgebehandlungen und eventuell damit verbundene Kosten, die durch ihre Behandlungsentscheidungen entstehen;3
- Eine Zustimmung nach fachgerechter Aufklärung entspricht der Berufsethik. Diese Zustimmung sollte nach gemeinsamen Gesprächen mit dem Patienten eingeholt werden. Bei komplexen oder elektiven Eingriffen sollte eine Bedenkzeit für weitere Erwägungen und eine erneute Prüfung der Zustimmung in angemessenen zeitlichen Abständen möglich sein;
- Die Feststellung der Einwilligungsfähigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung;
- Berücksichtigen Sie bei der Abwägung zwischen Wiederherstellung der Mundgesundheit und ästhetischen Zielen das umfassende Wohlbefinden des Patienten;
- Achten Sie darauf, dass die durchgeführten Behandlungen patientenorientiert, evidenzbasiert und dem Fachwissen und der Erfahrung des Zahnarztes entsprechen;
- Achten Sie im Gespräch auf verständliche Aussagen, vermeiden Sie Fachjargon und seien Sie transparent in Bezug auf die Behandlung und realistisch in Bezug auf die Erwartungen. Seien Sie aufrichtig und ordnen Sie in Gesprächen mit Patienten Werbung und Beiträge in sozialen Medien richtig ein. beachten Sie die nationale Gesetzgebung und die fachlichen Richtlinien in Bezug auf Werbung;
- Posts von Berufskollegen sind als öffentliche und nicht als private Beiträge anzusehen; entsprechend ist zu kommunizieren und zu handeln;
- Achten Sie darauf, dass es angemessene Richtlinien für die Bearbeitung von Patientenanliegen, Beschwerden und gegebenenfalls Rechtsbehelfen gibt und Sie eine zweckmäßige Versicherung gegen die Folgen klinischer Fahrlässigkeit haben.
Berufsorientiert:
- Achten Sie darauf, dass die gesetzlichen Anforderungen für Zahnärzte und zahnmedizinisches Personal gemäß den nationalen, regionalen und lokalen Gesetzen eingehalten werden;
- Bleiben Sie wachsam, um Interessenkonflikte zu vermeiden, und stellen Sie das Wohl der Patienten und der Gemeinschaft bei allen Entscheidungen in den Vordergrund;
- Achten Sie darauf, dass Ihr Fachwissen und Ihre Fähigkeiten immer auf dem neusten Stand sind;
- Seien Sie sich der Grenzen Ihrer eigenen Kompetenz bewusst und überweisen Sie Patienten, deren Behandlung Sie nicht übernehmen können, an fachkundige Kollegen;
- Fördern Sie eine Kultur der Gleichstellung, Diversität und Inklusion innerhalb des Berufsstandes und fördern sie eine Zusammenarbeit nach ethischen Grundsätzen innerhalb unseres Berufs und mit anderen Berufen;
- Behandeln Sie Ihre Patienten jederzeit mit Würde und Respekt;
- Die persönlichen Daten des Patienten sind jederzeit und entsprechend den Vorschriften der nationalen Gesetze streng vertraulich zu behandeln;
- Setzen Sie sich für eine gerechte und faire Mundgesundheitspolitik ein;
- NDA und andere berufsständische Organisationen müssen eine optimale Mundgesundheit und ethische Verhaltensweisen fördern („Unternehmensethik“);
-
Die Mundgesundheit wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als ein grundlegender Teil der allgemeinen Gesundheit und des Wohlbefindens angesehen. Alle Mitglieder des zahnmedizinischen Teams haben gemeinsam mit den NDAs und anderen berufsständischen Organisationen die Pflicht, dies anzuerkennen und entsprechende Dienstleistungen zu diesem Zweck zu fördern;
- Unterstützen Sie die regelmäßige Teilnahme an Kursen für die kontinuierliche berufliche Entwicklung (CPD), die sich mit dem Thema Ethik befassen. Es ist anzuerkennen, dass ethische Fragen ein zentraler Aspekt aller unserer Handlungen sind;
-
Berufsständische Organisationen unterstützen und beraten einzelne Zahnärzte und ihre Teams darin, dass sie die berufliche Ethik und die für sie geltenden Regulierungsrahmen verstehen und entsprechend handeln; die Mitgliedschaft in einer nationalen Zahnärztekammer ist deshalb hilfreich, um diese Anforderungen an die Berufsethik zu erfüllen.
SCHLÜSSELWÖRTER
Ethik, Zahnmedizin
DISCLAIMER
Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozio-ökonomische Zwänge widerspiegeln.
LITERATURHINWEISE
1. FDI Dental Ethics Manual 2
2. Beauchamp T, Childress J. Principles of Biomedical Ethics, 8th Ed. OUP: 2019
3. World Health Organization, Ottawa Charter for Health Promotion. Regional Office for Europe; 1986