Intraorale Lichthärtung kunststoffbasierter Materialien

ADOPTED by FDI General Assembly September, 2021 in Sydney, Australia

Kontext

Lichthärtende direkte kunststoffbasierte Restaurationen (RBM) und Polymerisationslampen (LCU) gehören inzwischen zur Grundausstattung der meisten zahnmedizinischen Kliniken weltweit. Seit einiger Zeit stehen neue Werkstoffe mit alternativen Photoinitiatoren neben Kampferchinon und neue Polymerisationsgeräte mit unterschiedlichen Lichtwellenspektren für den klinischen Einsatz zur Verfügung. Im Gegensatz zu dem breiten Emissionsspektrum von Quarz-Wolfram-Halogen-Lichtquellen (QTH) kann das enge Lichtspektrum einiger LED-Geräte (lichtemittierende Dioden) oder Laser-Geräte nicht ausreichend sein, um die neu im Markt angebotenen Photosensibilisatoren zuverlässig zu aktivieren. Solche physikalisch-chemischen Inkompatibilitäten sind deshalb von Bedeutung, weil der klinische Erfolg und die Biokompatibilität von RBM (z. B. Kunststoffkomposite, Dentaladhäsive, kieferorthopädische Kunststoffe, Befestigungsmaterialien und Versiegelungen)   davon abhängen, wie sorgfältig diese im Mund lichtgehärtet werden.1, 2  Die vorliegende Stellungnahme geht auf dieses oft unerkannte Problem ein und legt zur rechten Zeit Empfehlungen für die intraorale Lichthärtung vor.

 

Geltungsbereich

Die vorliegende FDI-Stellungnahme beschreibt wichtige Aspekte des vorschriftsmäßigen Einsatzes unterschiedlicher LCU (z. B. QTH, LED und Laser), wie sie in der zahnärztlichen Praxis verwendet werden.  Es sind fachliche Anleitungen und Schulungen für die richtige Anwendung von LCU erforderlich1 (z. B. Auswirkungen der Position des Gerätekopfes, Bewegung, Anstellwinkel und Belichtungszeit).  

 

Definitionen1,3

Spezifische Ausstrahlung  (mW/cm²):

Bezeichnet die Strahlungsleistung elektromagnetischer Strahlung, die von der Fläche des Lichtaustrittsfensters  ausgestrahlt wird.

Bestrahlungsstärke  (mW/cm²):

Bezeichnet Strahlungsleistung elektromagnetischer Strahlung, die auf eine Oberfläche trifft, bezogen auf die Größe der Fläche der bestrahlten Oberfläche (Hinweis: Die Bestrahlungsstärke wird in unterschiedlichen Entfernungen von der Quelle gemessen, sie ist gleich der spezifischen Ausstrahlung bei 0 mm am Austrittsfenster).

Emissionsspektrum (nm):

Wellenlängenbereich der von der Lichtquelle emittierten elektromagnetischen Strahlung.

Spektrale Strahlungsleistung (spektraler Fluss)(mW/nm):

Bezeichnet die Strahlungsleistung einer emittierten, übertragenen, reflektierten oder empfangenen elektromagnetischen Strahlung in Abhängigkeit von der Wellenlänge.

Uniformität des Lichtstrahls:

Homogenität sowohl der Bestrahlungsstärke als auch der spektralen Strahlungsleistung über den gesamten von der Lichtquelle emittierten Strahl.

Photoinitiator:

Chemische Verbindung in einer lichthärtenden RBM, die bei Aktivierung durch eine bestimmte Wellenlänge sichtbaren Lichts aktiviert wird und die Polymerisation des RBM in Gang setzt.

Photosensibilisator:

Chemische Verbindung in einem Photoinitiator-System, die mit einem Beschleuniger reagiert und reaktive Spezies für die Polymerisation der RBM erzeugt (Hinweis: Sehr oft werden Kampferchinon als Photosensibilisator und ein aliphatisches Amin als Beschleuniger verwendet).

 

Grundsätze

Der langfristige Erfolg von Restaurationen hängt von zahlreichen Faktoren ab. Eine adäquate Lichthärtung ist ein wichtiger, aber oft unterschätzter Parameter. Die richtige Wahl und Benutzung intraoraler LCU sind unerlässlich für die Sicherheit der Patienten und des medizinischen Personals und auch für den langfristigen Erfolg direkter dentaler Restaurationen sowie sonstiger lichthärtender Dentalmaterialien.1 Die sichere Verwendung von LCU erfordert einen zweckmäßigen Augenschutz.

Nach geltenden ISO-Normen (10650:2018 und 4049:2019)4 sollten die Hersteller lichthärtender Dentalwerkstoffe eindeutige Informationen über die spezifischen Wellenlängen des Lichts, Bestrahlungsstärke, Belichtungszeit und maximale Schichtstärke zur Sicherstellung einer ausreichenden Lichthärtung zur Verfügung stellen. Weiterhin sollten sie über ihre Geräte eindeutige Informationen vorlegen, aus denen die abgegebene Strahlungsleistung, die spezifische Ausstrahlung, der entfernungsbedingte Strahlungsverlust, das Emissionsspektrum und die aktive Austrittsfläche hervorgehen, ebenfalls Angaben zur Lichtübertragung und Uniformität des Lichtstrahls. Sowohl die Hersteller lichthärtender Dentalwerkstoffe als auch die Hersteller von LCU müssen darauf achten, dass die geforderten Daten anhand standardisierter Testverfahren gewonnen werden, eine normgerechte Kennzeichnung aufweisen und mit einer Bedienungsanleitungen geliefert werden. 5

 

 

Stellungnahme

Die FDI unterstützt die folgenden Empfehlungen:

  • In der zahnärztlichen Praxis sollte überprüft werden, dass das Wellenlängenspektrum des von der LCU emittierten Lichts den Anregungswellenlängen entspricht, die der Hersteller der RBM empfiehlt.
  • Die maximale Schichtstärke des Materials und die vom Hersteller angegebene Belichtungszeit sollten eingehalten werden.
  • Dunkle und eher opake Farben und Töne des gleichen Produkts erfordern evtl. längere Belichtungszeiten und/oder müssen mit geringeren Schichtdicken aufgebaut werden.
  • Die durchschnittliche spezifische Ausstrahlung der LCU sollte im Bereich 500 bis  2000 mW/cm2 liegen. Bereiche der Austrittsfläche von LCU, die eine spezifische Ausstrahlung von unter 500 mW/cmemittieren, können zu einer unzureichenden Lichthärtung führen; liegt der Wert oberhalb von 2000 mW/cm2 , kann dies zu thermischen Reizungen und/oder Schäden an der Mundschleimhaut führen.5 Bei der Verwendung hochleistungsfähiger LCU (über 2.000 mW/cm2), bei denen eine sehr kurze Belichtungszeit angezeigt ist (1–5 Sekunden), ist besondere Vorsicht geboten. Zwar gibt es einige RBM, die in Verbindung mit bestimmten Hochleistungs-LCU eingesetzt werden können und innerhalb kurzer Zeit aushärten, aber diese hochleistungsfähigen LCU führen nicht bei allen RBM zu adäquaten Ergebnissen.
  • Die Leistung der LCU muss in regelmäßigen Abständen geprüft werden, da sich die spezifische Ausstrahlung (= Strahlung am Lichtaustrittsfenster) im Laufe der Zeit verändern kann. Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Akku der LCU regelmäßig aufgeladen wird und dass das Austrittfenster aseptisch und sauber ist.
  • Die Lichthärtung des Kompositmaterials hängt auch vom Anstellwinkel des Gerätekopfes und von der Entfernung zwischen Austrittsfenster und Dentalwerkstoff ab.2,6  Bei tiefen Kavitäten sollte die Belichtungszeit verlängert werden, um den Strahlungsverlust auszugleichen.
  • Eine standardisierte Bewertung der Effektivität der entweder an der LCU befestigten oder handgehaltenen Vorrichtungen oder von Schutzbrillen zum Schutz der Augen des zahnärztlichen Personals ist zwingend vorgeschrieben. Es sind fachliche Schulungen zur richtigen Anwendung von LCU erforderlich1,7 (z. B. Auswirkungen der Position des Gerätekopfes, der Bewegung, des Anstellwinkels).
  • Zahnärzte sollten bei Verwendung dieser lichthärtenden Geräte durch Dentalassistenten auf eine grundsätzliche Einweisung und Überwachung achten und dafür sorgen, dass das zahnärztliche Team entsprechend geschult wird und die oben beschriebenen Prinzipien und fachlichen Empfehlungen zur Lichthärtung versteht.

Weitere Studien zur Sicherheit und Effizienz von LCU und Dentalwerkstoffen sind generell zu empfehlen

 

Schlüsselwörter

Polymerisationslampe, Restaurationsmaterialien, Komposit, lichthärtend, Photopolymerisation, Photoinitiator, LED, LCU

 

Disclaimer

Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozioökonomische Zwänge widerspiegeln.

 

Literaturhinweise

  1. Price RB, Ferracane JL, Shortall AC. Light-Curing Units: A Review of What We Need to Know. J Dent Res. 2015;94:1179-86.
  1. Maktabi H, Ibrahim M, Alkhubaizi Q,et al. Underperforming light curing procedures trigger detrimental irradiance-dependent biofilm response on incrementally placed dental composites. J Dent. 2019;88:103110.
  1. Kirkpatrick SJ. A primer on radiometry. Dent Mater. 2005;21:21-6.
  1. International Organization for Standardization. Dentistry-Powered polymerization activators. International Organization for Standardization ISO. ISO 10650:2018(en), 2018. Available from: https://www.iso.org/standard/73302.html [Accessed 27 November 2020].
  1. Park SH, Roulet JF,  Heintze SD. Parameters influencing increase in pulp chamber temperature with light-curing devices: curing lights and pulpal flow rates. Oper Dent. 2010;35(3):353-61
  1. Konerding KL, Heyder M, Kranz S,et al. Study of energy transfer by different light-curing units into a class III restoration as a function of tilt angle and distance, using a MARC Patient Simulator (PS). Dent Mater. 2016;32:676-86.
  1. Fluent MT, Ferracane JL, Mace JG, Shah AR, Price RB.  Shedding light on a     potential hazard: Dental light-curing units. J Am Dent Assoc. 2019;150:1051-1058.

 

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