Frühkindlicher Karies
KONTEXT
Frühkindliche Karies (ECC) ist bei Kindern unter 6 Jahren eine der Krankheiten mit höchster Prävalenz, die gleichwohl vermeidbar sind. ECC ist eine durch Biofilme ausgelöste, durch Zucker geförderte, multifaktorielle und dynamische Erkrankung, die durch biologische, verhaltensabhängige, psychosoziale und wirtschaftliche Faktoren im individuellen Umfeld der Betroffenen bestimmt wird. Frühkindliche Karies hat dieselben Risikofaktoren wie andere nichtübertragbare Krankheiten, die mit einem übermäßigen Zuckerkonsum einhergehen. Eine unbehandelte ECC hat schwerwiegende Folgen für den zukünftigen Mundgesundheitsstatus eines Kindes, für die kognitive Entwicklung, die Schulreife, das Selbstwertgefühl und die allgemeine Lebensqualität des Kindes. Ein früher zahnärztlicher Eingriff in Absprache mit den Betreuungspersonen ist von entscheidender Bedeutung, da kleine Kinder in Belangen der zahnmedizinischen Versorgung vollständig von ihren Eltern oder Betreuungspersonen abhängig sind.
GELTUNGSBEREICH
Die vorliegende Stellungnahme beschreibt die Prävention und das Management der frühkindlichen Karies und fordert eine koordinierte Vorgehensweise unter Beteiligung der Eltern/Betreuungspersonen, der Schulen, des zahnmedizinischen Teams, anderer Gesundheitsberufe und Berufsverbände, nationaler Zahnärztekammern, Gesundheitsministerien sowie weiterer Stakeholder zur Förderung der Mundgesundheit im frühkindlichen Alter.
DEFINITIONEN
Frühkindliche Karies (ECC): Das Vorhandensein einer oder mehrerer kariöser, fehlender oder aufgrund von Karies mit Füllungen versehener Milchzähne bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren.1
GRUNDSÄTZE
Auf der Grundlage des Globalen Aktionsplans für Mundgesundheit und der Vision 2030 des FDI setzt diese Stellungnahme folgende Schwerpunkte:
- Universeller Zugang: gleichberechtigter, bezahlbarer, adäquater und rechtzeitiger Zugang zu Prävention und Behandlung frühkindlicher Karies bei allen Kindern.
- Integration: Integration von ECC-Aufklärungs-, Präventions- und Behandlungsmaßnahmen in allgemeine Gesundheitsprogramme und Public Health-Maßnahmen entsprechend der Erkenntnis, dass die Mundgesundheit ein integraler Bestandteil des allgemeinen Wohlbefindens ist.
STELLUNGNAHME
Um ECC zu verringern und die Mundgesundheit von Kindern zu verbessern, werden die folgenden grundsätzlichen Maßnahmen empfohlen:
- Interventionen als Teil von Gesundheitsprogrammen:
- Förderung von Interventionen zur Prävention und Kontrolle von Ursachen und Risikofaktoren für frühkindliche Karies;
- Nutzung von Entwicklungs- und Gesundheitschecks für Säuglinge und Kleinkinder sowie von Impfprogrammen, um sie in Abstimmung mit den Eltern/Betreuungspersonen von Säuglingen und Kleinkindern präventiv zahnmedizinisch zu behandeln;
- Integration medizinischer, zahnmedizinischer und anderer Gesundheitsdienstleistungen, um auf diese Weise eine leicht zugängliche und konsistente Kommunikation über Mundgesundheitsthemen und -leistungen bereitzustellen;
- Förderung minimalinvasiver Behandlungen für das Kariesmanagement;
- Zusammenarbeit mit Regierungen, Gesundheitsdiensten und Medien, um den Wissensstand über Mundgesundheit und gesundheitliche Chancengleichheit zu verbessern.
- Förderung von Interventionen zur Prävention und Kontrolle von Ursachen und Risikofaktoren für frühkindliche Karies;
- Unterweisungen:
- Sensibilisierung von Eltern, Betreuungspersonen, Ausbildern, Zahnärzten und Angehörigen anderer medizinischer Berufe für das Thema ECC;
- Unterstützung des Engagements und der Verhaltensänderungen der Eltern/Betreuer bei der präventiven Zahnpflege, beginnend mit der Zeit vor der Empfängnis;
- Integration der Ausbildung in Mundgesundheit in Schulen/Tagesstätten, die Primärversorgung und die nationalen Gesundheitsdienste unter Verwendung der Erkennung und Vermeidung allgemeiner Risikofaktoren;
- Erweiterung der Ausbildung von Zahnärzten und ihrer Dentalteams in der Diagnose, Prävention und Behandlung von ECC durch Undergraduate- und Postgraduate-Ausbildungsprogramme und durch Fortbildung.
- Gesundheitsförderung: Abstimmung von ECC-Interventionen auf Initiativen zur Gesundheitsförderung in der Bevölkerung.
- Überwachungssysteme: Stärkung nationaler Überwachungssysteme, die die Prävalenz von ECC in allen Ländern in angemessener Weise widerspiegeln sollten.
- Regierungspolitik/nationale Politik:
- Förderung einer gesunden Ernährung durch politische Maßnahmen wie z. B. Verbot von Werbung oder Besteuerung von Nahrungsmitteln und Getränken mit einem hohen Anteil an freiem Zucker;
- Förderung der Fluoridierung von Trinkwasser, soweit möglich, und Verwendung fluoridierter Zahnpasta und von ausgebildetem Personal appliziertem Fluorid;
- Förderung regierungspolitischer Maßnahmen zur Unterstützung einer universalen Versorgung
- Forschung: Förderung von Forschungen zu Ursachen, Risikofaktoren und ungleichen Verteilung von ECC-Risiken und zu Effektivität von Interventionen während der Schwangerschaft und während der frühen Kindheit.
SCHLÜSSELWÖRTER:
frühkindliche Karies (ECC), Minimalintervention, Integration, universeller Zugang, Primärversorgung.
DISCLAIMER
Die Informationen in dieser Stellungnahme basieren jeweils auf dem aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Sie können so ausgelegt werden, dass sie existierende kulturelle Sensibilitäten und sozio-ökonomische Zwänge widerspiegeln.
LITERATURHINWEISE
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